Das Herz eines Champions
(10.7.2016) Im späten Mittelalter gab es noch das Gottesurteil, welches immer dann bemüht wurde, wenn die menschlichen Richter keine Möglichkeit sahen, die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten festzustellen. Das Gottesurteil sah einen Zweikampf von Kläger und Angeklagten vor, der im Zweifel bis zum Tode ging. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff des Champions. Ein Champion war jemand, der für alte, schwache, Frauen und Kinder stellvertretend diese Kämpfe ausfochte und für die Eintrat die selber nicht Kämpfen konnten.
Zum Glück verschwanden die Gottesurteile im Verlauf der Geschichte und der sportliche Wettkampf entstand. Der Begriff des Champions jedoch überlebte, wenn er auch seine Bedeutung veränderte. Im sportlichen Wettkampf bezeichnet man einen siegreichen Sportler als Zeichen hoher Anerkennung seiner sportlichen Leistung als Champion.
Janek Goman – machs noch einmal!
Wenn Janek Goman trainiert, dann läuft nicht selten die Filmmusik von Rocky in der Halle. Diese Musik treibt ihn nach vorne, gibt ihm Kraft und bringt ihn dazu immer noch mal eine Runde am Boxsack dran zu hängen. Wenn man sich fragt welcher Teil der Rocky-Filmreihe am besten zum gestrigen Kampf passt, so ist es sicher der derzeit letzte Teil ‚Rocky Balboa‘ – die Geschichte eines Mannes der eigentlich nicht mehr Kämpfen muss um etwas zu beweisen, aber es dennoch einmal wissen muss. Jemand der sich fragt, ob er es noch drauf hat, das Gefühl hat, etwas unvollendetes hinterlassen zu haben. Einmal noch die NRW Meisterschaft gewinnen und dann vielleicht an den Deutschen Meisterschaften teilnehmen – das wäre ein Traum.

Sein Gegner im Finale, das stand bereits früh fest, wird Younes Zarraa von der SG Kaarst sein. Auch hier gibt es parallelen zum eben erwähnten Film. Younes Zarraa ist jung, wurde Deutscher Meister der U21 und seine ganze Zukunft liegt noch vor ihm. Younes ist ein moderner Boxer, gut ausgebildet, schnell und mit seinen langen Armen in der Lage seinen Gegner aus der Distanz zu kontrollieren. Janek hingegen ist ein Kämpfer, kleiner, mit kurzen Armen, jemand der die Entscheidung im Infight sucht, ja mit seinem Körper suchen muss. Doch Janek Gomans Körper ist ein Körper in dem über 20 Jahre Boxen stecken. Das ist zwar eine Menge Erfahrung, aber es hinterlässt auch spuren. Er kämpft nicht nur gegen den Gegner, er kämpft auch gegen seinen eigenen Körper.

Beide wissen was auf sie zukommt, den es gab bereits ein Duell zwischen den beiden um genau diesen Titel. Damals konnte Younes Zarraa diesen Kampf für sich entscheiden.
Über zwei Monate hat Janek gezielt für diesen Kampf trainiert, sich in Form gebracht, nebenbei hat er noch die Wettkämpfer trainiert, ist danach länger in der Trainingshalle geblieben und hat an sich gearbeitet. Immer und immer wieder – eigentlich wurde er fast zu einem festen Bestandteil der Halle. Man konnte fast glauben, dass er dort schläft – und seine Anwesenheit war so selbstverständlich wie die fest installierten Boxsäcke. Kam man in die Halle und Janek war mal nicht da, so war es als käme man in die Halle und die Boxsäcke fehlten: Was ist denn hier los?
Am Samstag war es in Gelsenkirchen nun so weit. Janek stieg in den Ring mit dem Ziel die NRW Meisterschaft zu gewinnen.

Gut geölt mit ein wenig Sand im Getriebe
Schnell wurde klar, seine Reflexe und die Beweglichkeit hat der den viele für einen ‚alten Mann‘ halten, nicht verloren. Spektakulär weicht Janek den Schlägen seines Gegners aus, pendelt, meidet, ist wie Wasser man kann ihn nicht festhalten. Die Fäuste sind an der Hüfte die Augen sind Groß – als wolle er seinem Gegner Demonstrieren, dass er unverletzlich ist. Janek sucht mit dem hinteren Bein den Kontakt zum Seil, legt sich in die Seile, ohne Deckung pendelt er, der Gegner trifft kaum.

Wer den Kampf von etwas weiter weg beobachtete würde nicht glauben, dass Janek Mitte 30 ist. Er ist beweglich, als wäre er erst 25. Nur leider startet er keinen eigenen Gegenangriff und es ist auch nicht sein Kampfplan den er sich mit seinen Trainern überlegt hat.

Janeks Offensive besteht aus einzelnen harten Schlägen, die sein Gegner, der ebenfalls über eine Menge Erfahrung verfügt gut vorhersehen kann. Der Kampf wird in der zweiten Runde etwas ruppiger und aus der Klammerung heraus beginnen beide zu ziehen und zu drücken bis sie beide auf dem Boden liegen. Janek bleibt einen Moment ungläubig sitzen. Da muss Ihn der Ringrichter anzählen – und es ist klar, dass er nicht nur die erste Runde, sondern auch diesen Kampf nach punkten bereits verloren hat.
Es geht um alles
Doch erst in der dritten Runde gelingt es Janek den berühmten Ringrost zu lösen und kommt nun dazu die Distanz zu seinem Gegner zu verkürzen und eigene Angriffe zu setzen. Sicher hatte sich sein Gegner schon in Sicherheit gewogen – doch Janek fand die zweite Luft, eine Blockade schien gelöst. Einen Kampfplan gab es nun nicht mehr – doch Janek gestaltet diese Runde ausgeglichener als die beidne Runden davor und setzt gute Treffer, und man spürt das hier vielleicht noch etwas in der Luft liegt, vielleicht gibt es doch noch eine Sensation.

Doch Younes Zarraa ist nicht umsonst Deutscher Meister geworden – er weiss auch wie er kritische Situationen übersteht und so kommt es zu dem unausweichlichen Punkturteil. Am Ende ist Janek Goman mit 35 Jahren noch einmal Vize-NRW-Meister geworden. Und so ist es ein wenig wie im oben erwähnten Film über Rocky Balboa, sportlich verlässt er den Ring als Verlierer, doch hat er sich eine Menge Respekt für seine Leistung erarbeitet.

Wenige Momente nach dem Kampf kann er auch wieder Lachen, seine Söhne in den Arm nehmen und wundert sich vielleicht selber über seine eigene Verrücktheit.
Janek ist eigentlich mittlerweile viel mehr Trainer als Wettkämpfer – der Kampf um die NRW Meisterschaft war sein einziger Kampf in diesem Jahr – da kann man auch mal zwei Runden brauchen um in den Kampf zu kommen und den Sand aus dem Getriebe zu lösen. Die meiste Zeit in der Halle verbringt er damit den jungen Anfängern das Boxen zu vermitteln, mit Wettkämpfern durch die ganze Republik zu fahren und sie zu Wettkämpfen zu begleiten. Fast jeden Tag ist er in der Halle und vermittelt Beinarbeit, wie man gerade Schlägt, und auch, dass man immer Respekt vor dem Gegner hat. Mittlerweile boxen auch seine Söhne Christian und Joliano ‚Janko’ Goman. Christian gewann bereits die Deutsche Meisterschaft der U17 und gewann mit einer guten Leistung bei seiner ersten Teilnahme die Bronze Medaille bei der deutschen U19 Meisterschaft und bereitet sich derzeit auf die Teilnahme am Brandenburg Cup vor. Sein jüngerer Brunder Joliano hat in diesem Jahr sein Debut und seinen zweiten Kampf überzeugend gewonnen und steht noch ganz am Anfang.

Ein wahrer Champion
Und genau deshalb ist Janek für uns ein wahrer Champion im alten Sinne: Nämlich jemand, der sich für die Kinder und den Nachwuchs sprichwörtlich ein Bein ausreist. Janek lebt und liebt das Boxen mit voller Hingabe und Leidenschaft. Mehrer Tage in der Woche hält er die Pratzen, verbessert die Jungs und Mädchen in der Halle, am Wochenende begleitet er Sie zu den Wettkämpfen. Würde man die Stunden aufrechnen so würde man ganz sicher feststellen, dass er mehr Zeit mit den Jugendlichen und den Faustkämpfern verbringt als mit seiner Frau. Bei Janek und dem Boxen handelt es sich einfach um eine leidenschaftliche Affäre, die hoffentlich niemals abkühlen wird. Und auf die seine Frau, die unseren Dank verdient, hoffentlich nie ernsthaft eifersüchtig wird.
Und auf eine ganz persönliche Anmerkung kann ich nicht verzichten: Während des Kampfes rief jemand aus dem Publikum: „Mach ihn noch kleiner!“ – Das finde ich nicht gerade besonders groß – sondern eher unsportlich. Ich liebe es wenn man in der Halle eine gute Stimmung hat, und es soll auch durchaus laut werden und es ist super wenn man seinen Favoriten lautstark unterstützt und anfeuert ist super! Aber man hat den Gegner zu respektieren und ihn niemals persönlich zu beleidigen. Das ist einfach nur sehr sehr klein und widerstrebt jedem sportlichen Gedanken. Ohne Gegner gibt es keinen Wettkampf, und gerade im Boxen hat jeder Sportler Respekt verdient der in den Ring steigt und sich dieser Herausforderung stellt und nicht zuletzt seine Gesundheit riskiert. Ein Boxkampf gegen den Schatten ohne Gegner ist dann doch eher langweilig. Aber es war sicher nicht ernst gemeint und nur im Affekt gerufen.
Petr im Finale der NRW Meisterschaft
Im Superschwergewicht, das ist die nach oben offene Gewichtsklasse über 91kg trat Petr Pancini für die Faustkämpfer Köln-Kalk gegen Christian Kremer vom Polizeisportverein Unna an, der bereits Onur Dolu im Halbfinale besiegen konnte.

Und Petr gelang es tatsächlich diesen Kampf deutlich offener zu gestalten als erwartet. Ausserhalb des Ringes ist Petr ein ganz ruhiger und entspannter Mensch. Und wer ihm im Ring gegenüber steht, der erwartet nicht, dass dieser kompakte Boxer so unglaublich schwer zu treffen ist. Und es passiert das, womit wahrscheinlich wenige aussenstehende Beobachter gerechnet haben: Petr gestaltet den Kampf gegen den deutlich grösseren Gegner durchaus sehr offen. Christian Krämer schlägt viel, trifft aber kaum wirkungsvoll, meistens gehen sein Schläge auf die Deckung oder Petr weicht den Schlägen geschickt aus. Petr schlägt jedoch selber nur einzelne Hände und verpasst oft die Gelegenheit nachzusetzen. Aber wenn Petr trifft, dann hinterlassen die Schläge deutliche Wirkung bei jedem Gegner. Und so ist es auch in diesem Kampf. Die härteren und deutlichen Treffer kann eigentlich Petr Pancini für sich verbuchen, die Vielzahl der Schläge geht auf das Konto von Chrisitan Kremer. Und so sind es nicht wenige Mitgereiste Anhänger der Faustkämpfer die erwarten, dass Petr eine kleine Sensation gelungen ist. Doch die Punktrichter sahen Christian Kremer vorne und gaben ihm den Sieg. Das schöne am Boxen ist doch immer wieder, das gerade Gegner, die sich im Ring besonders hart bekämpfen, danach umso mehr Respektieren. Und genau das ist beiden Kontrahenten nach dem Kampf auch anzumerken: Die jeweilige Hochachtung für die Leistung des anderen.

So treten die Faustkämpfer die Rückreise zwar heute ohne Titelgewinn bei der NRW-Meisterschaft an, aber doch erhobenen Hauptes.
Weitere Berichte, auch über die anderen Kämpfe des Tages, sowieviele Fotos, findet ihr auch bei www.boxnrw.de unter:
Spektakulärer Boxsport auf NRW-Meisterschaft – Piraki siegt durch KO
Fotos
Janek Goman vs Younes Zarraa
















































Petr Pancini vs. Christian Kremer
















